Geologische Situation am nördlichen Ende des Oberrheingrabens

Die mächtige Grabenfüllung des Oberrheingrabens endet im Norden etwa auf der Höhe von Rüsselsheim. Von Süden her bis dort hin sind über 2.000 m mächtige Tertiärschichten und über 100 m Quartär-Ablagerungen bekannt. Weiter nach Norden sind die Mächtigkeiten viel geringer. Das Umfeld dieses Bereiches wird nun näher erläutert.

Mächtigkeit der sandig-kiesigen eiszeitlichen Sedimente

(nach Anderle 1968)

Der Rhein und der Main sowie ihre Nebenflüsse haben im Quartär am nördlichen Ende des Oberrheingrabens Sand und Kies abgelagert. Gelegentlich sind Schluff und Ton sowie Torf eingelagert. Dort wo diese Sedimente auf den ähnlichen Schichten des Pliozäns liegen ist die Abgrenzung zu diesen schwierig.

Als typische pliozän-zeitliche Schichten der Untermain-Ebene gelten feinkörnige kalkfreie Sande (grau, weiß, gelblich) mit Einlagerungen von Tonlinsen, Braunkohlen und Kiesen. Die Gerölle dieser Kiese bestehen aus gebleichtem Buntsandstein, scharfkantigem Gangquarz, Quarzit und Hornstein. Der schwarze Kieselschiefer aus Frankenwald und Fichtelgebirge fehlt weitgehend.

Die Pleistozän-Schichten der Untermain-Ebene bestehen aus Sanden und Kiesen mit gelegentlichen schluffig-tonigen Einlagerungen. Die Gerölle der Kiese bestehen aus ungebleichtem Buntsandstein, Kalkstein, Hornstein, Quarz, Quarzit, Basalt und schwarzem Kieselschiefer aus Frankenwald und Fichtelgebirge. Hinzu kommen lokale Gerölle aus Spessart und Odenwald. Diese Sedimente sind in der Regel kalkhaltig, können aber sekundär entkalkt sein.

Im Bereich des nördlichen Endes des Oberrheingrabens sind die Verhältnisse zwischen Pliozän und Pleistozän ähnlich, jedoch fehlen die für die Main-Ablagerungen typischen schwarzen Kieselschiefer-Gerölle. Die pleistozänen sandig-kiesigen Sedimente werden im Oberrheingraben von sandig-tonigen Schichten unterlagert. Diese feinkörnigen Ablagerungen gehören eventuell auch noch in das ältere Pleistozän.


Abb 1: Mächtigkeiten der sandig-kiesigen Quartär-Sedimente südlich von Frankfurt am Main

Quartär-Mächtigkeit am nördlichen Ende des Oberrheingrabens

(Karte in besserer Auflösung, 160 KB)


Die mehr als 40 m mächtigen quartären Sande und Kiese südöstlich von Kelsterbach sind die Füllung des ehemaligen Main-Tales zur Zeitenwende Pliozän/Pleistozän (vor ca. 2 Millionen Jahren). Das Tal verlief von Neu-Isenburg in Richtung Rüsselsheim (Anderle und Golwer 1980).

Sehr auffällig ist, dass der heutige Main weit nördlich seiner mächtigsten Ablagerungen fließt. Auch der heutige Rhein fließt am Rand der größten Quartär-Machtigkeiten. Dies kann mit einer Hebung dieses Gebietes erklärt werden.


Abgedeckte geologische Karte des Rhein-Main-Gebiets

Neben den oben geschilderten sandig-kiesigen quartären Ablagerungen von Rhein und Main bedecken eiszeitliche Lössdecken und im Gebirge Schuttdecken weitgehend die Gesteine des tieferen Untergrundes. Anderle hat 1974 eine abgedeckte geologische Karte vorgelegt, die die Gesteins-Einheiten unter den quartären Sedimenten zeigt. Durch die geologische Kartierung und das Sammeln der Aufzeichnungen von tausenden Bohrungen über mehr als 100 Jahre wird eine Datenbasis geschaffen, die solch eine Auswertung erlaubt.

Abbildung 2: Abgedeckte geologische Karte des Rhein-Main-Gebietes nach Anderle (1974) und Anderle und Golwer (1980):

(Karte in sehr guter Auflösung, 1600 x 1500 Pixel, 800 KB)

Die Karte zeigt, wie der Untergrund in mehrere Kilometer große Schollen zerbrochen ist, da unterschiedlich alte Gesteine aneinander grenzen. Die Bruchflächen werden Störungen genannt.


Gliederung der Bruchschollen im Rhein-Main-Gebiet (nach Anderle 1974, Erläuterung zur abgedeckten geologischen Karte)

Südlicher Taunus

Die Gesteine des Taunus werden in der Karte unter dem Namen "Rhenoherzynikum" zusammengefasst. Der südliche Taunus zeigt am Südrand eine Zone metamorpher Gesteine. Die südwest-nordost-streichenden Gesteine werden durch Querstörungen in 16 Haupt-Schollen zerlegt. Die Idsteiner Senke trennt zwei unterschiedliche Bereiche des Taunus. Der westliche Taunus zeigt nur einen geringen Einfluss durch jungen Schollenbewegungen. Es gibt hier nur eine bedeutende Abschiebung, die durch einen Steilhang morphologisch sichtbar ist, sowie einen Graben bei Wiesbaden. Östlich der Idsteiner Senke gibt es dagegen im Taunus viele jungen Schollenbewegungen, die sich morphologisch stark bemerkbar machen. Tektonische Gräben sind als morphologische Senken mit nur wenigen Aufschlüssen ausgebildet. Hier findet man eine ausgeprägte tertiäre Verwitterung der paläozoischen Gesteine und ausgedehnte Schuttdecken. Die tektonischen Horste sind morphologische Höhen mit vielen Aufschlüssen frischer paläozoischer Gesteine und wenigen Schuttdecken. Zwischen Hofheim und Bad Homburg reichen drei dieser Strukturen über die Taunus-Südrand-Störung hinaus bis in den nördlichen Oberrheingraben hinein (Hattersheimer Graben, Höchst-Sulzbacher-Horst, Nidda-Graben). Dadurch ergibt sich eine strukturgeologische Verbindung beider Einheiten für die Nordwest-Richtung. Nordnordost-streichende Störungen des Oberrheingrabens setzen sich nicht in den Taunus hinein fort.

Die durch den krassen Gesteinsunterschied (Tertiär - Paläozoikum) augenfällige Taunus-Südrand-Störung gehört zu einer Staffel paralleler Südwest-Nordost streichender Störungen. Dies wird durch Bohrergebisse untermauert, bei denen am Wiesbadener Schlachthaus 2 km südlich der Taunus-Südrand-Störung unter 230 m Tertiär paläozoische Gesteine angetroffen wurden (von Reinach 1890).


Rheinhessen

Rheinhessen bildet ein mit tertiären Gesteinen gefülltes Becken, das von älteren hochliegenden Gesteinen umrahmt wird. Rheinhessen ist wie der Westtaunus nur wenig in Schollen zerbrochen. Die Störungen folgen der Nordwest- und der Südwest -Richtung. Die Gesteins-Schollen erheben sich treppenartig ausgehend von zwei randlichen Gräben (1. bei Mainz, 2. im Rheingau). Durch diese beiden Gräben fließt der Rhein.


Oberrheingraben

Nördlich von Heidelberg kommt zu der dominierenden Störungs-Richtung Nordnordost die Nordnordwest bis Nordwest-Richtung hinzu. Nördlich von Darmstadt gewinnt diese Richtung sogar die Oberhand. Die Haupt-Gräbenränder verlaufen im nördlichen Oberrheingraben nicht mehr parallel, so dass sich die Grabenbreite im Bereich nördlich von Darmstadt auf 20 km reduziert. Nordwestlich von Darmstadt gibt es bei Gräfenhausen einen schräg im Oberrheingraben liegenden Graben, der als Verlängerung der Idsteiner Senke im Taunus aufgefasst werden kann. Durch das Erscheinen der Miozän-Sedimente unter dem Quartär im Bereich Langen-Walldorf macht sich das nördliche Ende des Oberrheingrabens bemerkbar.


Westliche Wetterau

In der westlichen Wetterau treten zwei Bruchfelder auf, die sich im Raum Butzbach - Bad Nauheim schneiden:

(1) Nordnordwest-streichende Schollen zwischen Bad Nauheim und Gießen bilden den Übergang zwischen dem gehobenen Taunus und dem abgesenkten Vogelsberg-Vulkangebiet.

(2) Zwischen Frankfurt und dem südlichen Vogelsberg dominieren nordnordost-streichende Störungen. Zwischen dem Taunus im Westen und der Achse des Sprendlinger Horstes bilden gestaffelte Störungen einen komplexen Graben. Kleine Grabenstrukturen wie der Nidda-Graben und der Horloff-Graben werden durch Querstörungen begrenzt.


Achse des Sprendlinger Horsts

Die bemerkenswerteste Struktur des Rhein-Main-Gebiets ist der Sprendlinger Horst, dessen nördliche Fortsetzung bis in den südlichen Vogelsberg verfolgt werden kann. In Offenbach spaltet sich der Horst nach Norden hin auf. Im deutlicher entwickelten östliche Ast kommen die paläozoische Grauwacke von Erbstadt und die Rotliegend-Gesteine von Rabertshausen an die Oberfläche. Das scheinbare Fehlen von Störungen im Sprendlinger Horst wird durch die eintönigen Rotliegend-Gesteine bedingt.


Hanau-Seligenstädter Senke

Die Senke erstreckt sich in Nordnordost-Südsüdwest-Richtung. Ihre Umrisse werden von nordwest-streichenden Strukturen dominiert. In der südlichen Verlängerung setzt sich die bedeutende Otzberg-Bruchzone in den Odenwald hinein fort.


Spessart

Im Spessart erscheinen metamorphe paläozoische Gesteine des Saxothuringikums. Hier dominieren nordwest-streichende Abschiebungen, die den Spessart zu einem nordwest-streichenden Horst formen, der sich bis in die Wetterau fortsetzt. Jenseits der Kinzig-Zone sind in der Wetterau die saxothuringischen Gesteine von Rotliegendem bedeckt.


Deutung des Bruchschollenmusters (nach wie vor nach Anderle 1974)

Die Zerlegung in Bruchschollen ist das Ergebnis der horizontalen Dehnung der Erdkruste im Tertiär, die zum Aufreißen des Oberrheingrabens geführt hat. In Abhängigkeit des paläozoischen Unterbaus ergaben sich unterschiedliche Reaktionen:

(1) Im Bereich des Saxothuringikums haben sich wenige große nordnordost-streichende Strukturen entwickelt: der Oberrheingraben im engeren Sinn, der Sprendlinger Horst und die Hanau-Seligenstädter Senke.

(2) Sobald die nordnordost-streichenden Strukturen die Saar-Saale-Zone erreichen, gewinnen nordwest- und südwest-streichende Störungen an Bedeutung und die Mächtigkeit der Füllung von Oberrheingraben und Hanau-Seligenstädter Senke nimmt ab.

(3) Im Bereich des Rhenoherzynikums kann eine Art strukturelle Aufspaltung festgestellt werden. Im Taunus und in der Wetterau gibt es eine große Zahl kleiner Strukturen (Gräben, Horste, Becken). Die nordnordost-streichenden Strukturen des Oberrheingrabens setzen sich nicht in den Osttaunus fort, obwohl es dort eine geeignete alte Nordnordost-Kluftrichtung als Vorgabe gibt. Die Bruchstörungen verlaufen im Osttaunus nach Nordwesten. Dieser krasse Unterschied kann durch eine tiefreichende strukturelle Entkopplung zwischen Rhenoherzynikum und Saar-Saale-Zone erklärt werden. In diesem Bereich hat die horizontale Dehnung

(a) zu einer rechts-lateralen südwest-streichenden Horizontalverschiebung geführt (entsprechende Harnisch-Striemung im Südtaunus, eventuell Transform-Störung) und

(b) zu einer Zerlegung in Bruchschollen unter Verwendung alter nordwest-streichender Querstörungen (östlich der Idsteiner Senke).

Zwischen Bad Homburg und Bad Nauheim werden die Taunusgesteine jedoch von einer nordnordost-streichenden Grabenstruktur abgeschnitten. Diese Struktur ist zwar wesentlich kleiner als der Oberrheingraben und hat auch keine direkte strukturelle Verbindung, kann jedoch als Ast des Hauptgrabens angesehen werden, der die nordnordost-streichende Bruchzone fortsetzt. Das dies hier passiert ist kein Zufall. Die heutige östliche Begrenzung des Taunus hat eine alte Anlage. Im Unterdevon gab es hier schon eine Faziesgrenze und zur Zechstein- und Buntsandsteinzeit lag hier eine Küstenlinie.

Der Oberrheingraben
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