Abschrift aus:
Geol. Jb. Hessen, 115, S. 239-244, 2 Abb., Wiesbaden 1987

Laacher-See-Tephra in Bad Soden am Taunus

(Bl. 5817 Frankfurt a. M. West)

Von Christian Röhr

(Dipl-Geol. C. Röhr, Institut für Geochemie, Petrologie und Lagerstättenkunde der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Senckenberg Anlage 28, 6000 Frankfurt a, M.)

Kurzfassung: In einer Baugrube in Bad Soden treten über Schichten des Miozäns limnische Sedimente auf. Sie lassen sich durch Laacher-See-Tephra ins Alleröd einstufen.

Abstract: At a building-site limnic sediments occur above miocene beds. Laacher See Tephra helps to date the limnic sediments as Alleröd.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Miozän
3. Quartär
4. Schriftenverzeichnis

1. Einleitung

Wenige Meter südlich der Taunussüdrandstörung, die hier durch die Bad Sodener Mineralquellen besonders deutlich nachgezeichnet wird, konnten im Sommer 1985 in einer Baugrube (Abb. 1) über den liegenden Schichten des Miozäns die Sedimente eines allerödzeitlichen Sees studiert werden. Laacher-See-Tephra, die in diesen See herabregnete wurde von Erosion oder Verwehung weitgehend geschützt und liegt nun als meist 15 cm mächtige Lage inmitten der limnischen Sedimente (Abb. 2).

Karte der Baugrube

Abb. 1: Lage der Baugrube und des Profils A-B in Bad Soden

 

2. Miozän

Graugrüner, zäher, schluffiger Ton, in den splittrig harte, hellbeige Kalksteinlinsen und Polster, Mauern und Knollen aus ockerfarbenem Algenkalk eingelagert sind, baut die Miozänschichten im Osten der Baugrube auf. Die Algenkalkkörper bestehen aus pflaumengroßen, kantigen, dichten Kalkbrocken, die nur schwach miteinander verbunden sind. Ein besonders eindrucksvoller Abschnitt zeigte einen senkrecht stehenden, 1 m mächtigen mauerförmigen Algenkalkkörper, der erst durch Vergleich mit den Ergebnissen von KINKELIN (1885) zur richtigen Ansprache dieser Gebilde führte. Neben dem vorherrschenden graugrünen Ton, der auch einmal ganz schwach kalkhaltig sein kann, treten fast schwarze und grüne Pelite auf. Eine schneeweiße Linse aus erbsengroßen Kalkbröckchen in einer schluffigen Kalkmatrix rundet das bunte Erscheinungsbild dieses nur schlecht geschichteten Sedimentpaketes ab. An Fauna konnten nur wenige, schlecht erhaltene Landschneckenreste nachgewiesen werden.

Ein schlecht aufgeschlossener Bereich leitet zu den Miozänschichten in der Mitte der Baugrube über, die dann schließlich nach Westen unter den Taunusschutt abtauchen. Algenkalk tritt in diesem Abschnitt nicht mehr auf. Die Sedimente sind hier deutlich besser geschichtet. Dichter, hellbeiger Kalkstein wechsellagert mit gelbgrünem, zähen Schluff und graugrünem Ton. Die einzelnen Lagen sind 10-20 cm mächtig. Mehrfach sind wenige Zentimeter mächtige Lagen, die aus massenhaft Eucypris agglutinans (LIENENKLAUS) bestehen, zwischengeschaltet. Herr Dr. MALZ, Forschungsinstitut Senckenberg, bestimmte freundlicherweise die Ostracoden. Daneben treten nur noch Congeria brardi (FAUJAS), nicht näher bestimmbare Hydrobien verschiedener Wachstumsstadien und Fischreste auf. Ob der deutliche Faziesunterschied nun durch raschen, lateralen Fazieswechsel oder eine Störung (Abb. 2) bedingt wird, konnte nicht geklärt werden.

Nach MICHELS et al. (1929) handelt es sich bei dieser Schichtenfolge um Brackwasserbildungen der Hydrobien-Schichten. Der Vergleich mit den Ergebnissen KÜMMERLEs (1971) zeigt enge lithologische Beziehungen zu den Landschneckenmergeln auf. Nach BEST (1975) kam es aber auch während der Oberen inflata- und der Unteren Hydrobien-Schichten zur Bildung von Algenkalk. Die Fauna der algenkalkfreien Fazies deutet auf Obere Hydrobien-Schichten.

Geologisches Profil durch die Baugrube in Bad Soden

Abb. 2: W-E-Profil durch die Baugrube, ca. 4-fach überhöht

 

3. Quartär

Im Osten und in der Mitte der Baugrube wird das Miozän von einer meist 20 cm mächtigen, dunkelgraubraunen Tonschicht überlagert, die wegen ihrer deutlich herabgesetzten Kohäsion, ihrem deutlichen Gehalt an organischer Substanz und ihrer Verzahnung mit dem Taunusschutt ins Quartär gestellt wird. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um aufgearbeitetes Miozän. Von dem Vorläufer des Baches im Kurpark (Abb. 1) wurde wahrscheinlich der Schutt aus stengeligem Phyllit und eckigem Gangquarz abgesetzt. Unmittelbar nördlich der Baugrube steht von Quarztrümern durchsetzter Phyllit des metamorphen Südtaunus an. Aus dem entblößten Kies der Baugrubensohle raten zahlreiche kleine Quellen, teilweise unter Gasentwicklung, aus.

Den größten Raum nahm in der Baugrube ein dunkelbraun-hellbraun, fingerbreit gestreiftes, stark wasserhaltiges, schluffiges Sediment ein. Die Analyse einer Mischprobe ergab 40 % Karbonat (nach SCHEIBLER) und 20 % organische Bestandteile (als Glühverlust der karbonatfreien Probe bestimmt). Im Sediment sind reichlich fingerdicke Aststücke eingeschlossen, auch ein senkrecht stehender Baumstamm von 60 cm Durchmesser wurde vom Bagger freigelegt. Das Holz ist so weich, dass das Wasser durch Fingerdruck herausgepresst werden kann. Die Bänderung im Sediment wird von schwankenden Gehalten an organischer Substanz verursacht.

Nicht nur auf Grund der Mächtigkeitsverteilung kann zwischen Ufer (im Osten der Baugrube) und Seemitte (im Westen) unterschieden werden. Auch die Sedimentzusammensetzung zeigt einen Fazieswechsel an. In Richtung auf das Ufer nimmt der Gehalt an organischer Substanz relativ ab und trennt sich auch von den kalkigen Bestandteilen, so dass es im Extremfall zur Ausbildung von schneeweißer Seekreide mit eingeschalteten dünnen Torfflasern kommt. SCHÄFER (1973) zeigte am Bodensee, dass Seekreide besonders in Ufernähe gebildet wird. Der Karbonatgehalt der schneeweißen, reinen Seekreide beträgt in Bad Soden 92 %, bei den unreineren, hellbraunen, fleckigen Varietäten liegt er um 70 %. Neben der pelitischen Kalkkomponente besteht die Seekreide aus mm-großen Kalkinkrustationspartikeln. Diese unregelmäßigen weißen Körperchen enthalten röhrenförmige Hohlräume, die als ehemalige Pflanzenstengel gedeutet werden. Teilweise ist die Seekreide, wie auch der sich beckenwärts anschließende, humose Kalkschluff, sehr reich an Schneckenschalen. Ostracoden wurden vereinzelt beobachtet.

Im Westen und in der Mitte der Baugrube wurde in ca. 2,80 m unter der Geländeoberfläche die Basis einer Lage aus vulkanischer Asche entdeckt. Im Osten liegt sie 1,30 m tief. Die Geländeoberfläche ist nach Augenschein horizontal. Nivellements wurden nicht ausgeführt. Die Lage weist meistens eine Mächtigkeit von 15 cm auf, selten schwillt sie auf 20 cm an oder dünnt aus. In der östlichen Hälfte des Profils (ufernah) ist sie makroskopisch homogen, dunkel olivbraun und so stark verfestigt, dass sie nur unter Kraftaufwand mit der Hand zerbröckelt werden kann. Zerreibt man etwas davon zwischen den Fingern, tritt erstaunlich viel Wasser aus und führt zu dem typischen Schmiereffekt. In der westlichen Hälfte (uferfern) ist die Tephra deutlich zweigeteilt. Die untere Teilschicht besteht aus sehr gleichkörnigen, hell olivbraun gefärbten Bimskörnern, die obere ist deutlich feinkörniger und dunkel olivbraun. Die untere Teilschicht macht zwischen einem Viertel und der Hälfte der Tephramächtigkeit aus. Im östlichen, ufernahen Bereich sind offensichtlich beide Tephralagen durch Wellenschlag und Bioturbation miteinander vermischt worden.

Die Untersuchung der Komponenten der Tephra beschränkt sich auf die Korngröße > 63 µm. Kurzes Kochen in Salzsäure befreite die Probe von sekundären Verfärbungen (z.B. olivbraune Farbe der Bimskörner). Die Körner wurden nun sowohl direkt unter dem Binokular als auch im Dünnschliff untersucht. Dazu wurden sie mit dem üblichen Epoxidharz auf einem Objektträger zu einem dicken Brei angerührt, ausgestrichen und nach dem Aushärten auf die übliche Dünnschliffdicke geschliffen. Es kann nun das gesamte Spektrum der Polarisationsmikroskopie zu ihrer Bestimmung angewandt werden.

Die Tephra besteht aus Bimskörnern und wenig farblosem und braunem, dichtem, teilweise blasigem Glas. Sanidin macht den Hauptteil der Kristalle aus. Reichlich vertreten sind Ägirinaugit, braune (selten grünliche) Hornblende und Titanit, untergeordnet Augit. Anorthoklas und Plagoklas treten wie Zirkon und Apatit (in einer nicht mit HCl behandelten Probe beobachtet) nur sehr selten auf. Magnetitoktaeder und graue, plattige Schieferbruchstücke (mit deutlichen Muskovitschüppchen) sind unter dem Binokular reichlich anzutreffen. Die Bimskörner der unteren Teilschicht weisen meistens Durchmesser zwischen 0,8 und 1,3 mm auf. Wenige erreichen 4-5 mm. Die grauen Schieferbruchstücke sind mit meist 1-2 mm etwas größer. Die wenigen Bimskörner der oberen Teilschicht sind hellgrau (d.h. dunkler als die der unteren Teilschicht) und meist 0,5 - 1 mm, max. 3 mm groß. Hier finden sich auch reichlich, oft 2 mm große Biotitplättchen, die der unteren Teilschicht völlig fehlen.

Der Vergleich mit den Angaben bei FRECHEN (1953) zeigt, dass es sich sowohl nach den Komponenten als auch nach den beiden Teilschichten eindeutig um Laacher-See-Tephra (sensu BOGAARD & SCHMINCKE 1984) handelt, die im mittleren Alleröd vor 11.000 Jahren im 90 km entfernten Laacher-See-Kessel eruptierte. Die oft benutzte Bezeichnung Tuff ist unzutreffend, da es sich um unverfestigte vulkanische Asche handelt. Ebenso ist die oft benutzte Bezeichnung Laacher Bimstuff (LBT) in Verbindung mit einem Alter von 11.000 Jahren schlecht gewählt, da es sich um einen Oberbegriff für unterschiedlich alte Pyroklastika des Laacher Seegebiets handelt (FRECHEN 1953: 200, WINDHEUSER 1977: 197ff).

Die vulkanische Asche wird in der Baugrube meistens von einem Grobsand aus Kalkinkrustationspartikeln (die gleichen wie in der Seekreide, s.o.) überlagert, teilweise ist die Tephra erodiert und besonders mächtiger Kalkgrobsand füllt die Hohlform aus (Abb. 2). Der Grobsand enthält eine durchgehende Schicht aus hartem Quellsinter, in dem unter anderem die Abdrücke fingerdicker Äste erhalten sind. Nach GIEBELER (1858: 332) kommt er in Bad Soden in größerer Verbreitung vor. Ob z.B. das Massensterben kalkinkrustierter Moose durch den Aschenfall für die reichliche Freisetzung der Kalkpartikel verantwortlich ist, konnte nicht befriedigend geklärt werden.

Die Sedimentation des humosen Kalkschluffes hielt daraufhin zunächst unvermindert an. In der östlichen Profilhälfte konnte eine Vermischung von hangender Seekreide mit Laacher-See-Tephra durch das reichlicheVorkommen schwarzer Hornblendekristalle und Schieferbruchstücke schnell durch kurzes Aufschlämmen festgestellt werden. Ein ähnliches Profil wie hier (Laacher-See-Tephra in Seekreide) ist auch am Mönchsbruch auf Bl. 6017 Mörfelden bekannt (PLASS 1980: 127, BREUNIG 1983: 18).

An der Wende Alleröd - Jüngere Tundrenzeit (wenige hundert Jahre nach der Eruption) verschlechterte sich das Klima deutlich und verhinderte weitere Kalkfällung und die Sedimentation organischer Substanz. Die limnischen Sedimente wurden dann im weiteren Verlauf von Schwemmlöss zugedeckt. Im Aufschluss war das Sediment von Löss nicht zu unterscheiden. Da aber nach dem Alleröd-Interstadial keine Lössverwehung mehr stattfand, muss das Material von den Hängen der Umgebung abgespült worden sein. Es ist dort reichlich vorhanden. In der Ziegeleigrube Wilhelmshöhe (1 km SW der Baugrube) z.B. steht der Löss 15 m mächtig an. Im Großteil der Baugrube zeigt der Schwemmlöss stark entwickelte Rostflecken, stellenweise wurde Raseneisenstein abgeschieden, charakteristische Hinweise für die oxidierte Zone über einem Grundwasserspiegel. Dieser scheint nach Norden hin bis fast an die Geländeoberfläche anzusteigen, da der Schwemmlöss an der Kronberger Straße durchgehend die grüne Farbe des zweiwertigen Eisens aufweist, sich also im reduzierten Bereich unter der Grundwasseroberfläche befindet. Durch die Wasserhaltungsmaßnahmen für den Bau konnte der natürliche Grundwasserspiegel allerdings nicht beobachtet werden. An der Baugrubenwand entlang der Kronberger Straße drang aber deutlich Wasser aus.

Die morphologische Betrachtung der Umgebung der Baugrube zeigt, dass die gesamte Altstadt von Bad Soden an drei Seiten von Hängen umrahmt wird und das Wasser nur nach SE über den Sulzbach abfließen kann. Zur Zeit des Sees muss dieser Abfluss durch einen natürlichen Damm verschlossen gewesen sein. Der See wird eine Großteil der Altstadt, die im gleichen Niveau mit dem Baugrubenaufschluss liegt, eingenommen haben. Die Auskunft eines ortskundigen Einwohners, dass westlich der Baugrube bei früheren Bauten "richtiges Moor" aufgeschlossen wurde, unterstützt diesen Befund.

 

4. Schriftenverzeichnis

BEST, G. (1975): Feinstratigraphie der Hydrobien-Schichten (Untermiozän, Mainzer Becken).- Mainzer geowiss. Mitt., 4: 75-138, 18 Abb., 4 Tab.; Mainz

BOGAARD, P.v.d. & SCHMINCKE, H.-U. (1984): The Eruptive Center of the Late Quaternary Laacher See Tephra.- Geol. Rdsch., 73: 933-980, 25 Abb.; Stuttgart

BREUNIG, T. (1983): Vergleichende boden- und vegetationskundliche Untersuchungen im Mönchsbruchwald (Westliche Untermainebene).- Unveröff. Dipl.-Arb., Fachb. Geowiss., 18 Abb., 13 Tab., 8 Kt., 1 Beil.; Frankfurt a.M.

FRECHEN, J. (1953): Die Herkunft der spätglazialen Bimstuffe in mittel- und süddeutschen Mooren.- Geol. Jb., 67: 209-230, 9 Tab.; Hannover

GIEBELER, W. (1858): Die Tiefbohrung auf kohlensäurehaltiges Soolwasser zu Soden.- Jb. nass. Ver. Naturkd., 13: 330-347; Wiesbaden

KINKELIN, F. (1885): Die Schleusenkammer von Frankfurt-Niederrad und ihre Fauna.- Ber. senckenberg. naturforsch. Ges., 1884: 165-182, 1 Taf.; Frankfurt a.M.

KÜMMERLE, E. (1971): Zur Geologie der nordwestlichen Stadtgebiete von Frankfurt am Main.- Notizbl. hess. L.-Amt Bodenforsch., 99: 214-231, 5 Abb., 1 Taf.; Wiesbaden

MICHELS, F., WENZ, W. & ZÖLLER, A. (1929): Geologische Karte von Preußen und benachbarten deutschen Ländern, Blatt Frankfurt a/M (West)-Steinbach, Gr.-Abt. 68, Bl. 56, 2. Aufl., Lfg. 300; Berlin

PLASS, W. (1980): Böden.- Erl. geol. Kt. Hessen 1:25000, Bl. 5917 Kelsterbach: 117-134, 3 Abb.; Wiesbaden

SCHÄFER, A. (1973): Zur Entstehung von Seekreide.- Untersuchungen am Untersee (Bodensee).- N. Jb. Geol. Paläont., Mh., 1973: 216-230, 6 Abb.; Stuttgart

WINDHEUSER, H. (1977): Die Stellung des Laacher Vulkanismus (Osteifel) im Quartär.- Sonderveröff. Geol. Inst. Univ. Köln, 31: 223 S., 28 Abb., 1 Tab.; Köln

 

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